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Der Salami-Effekt: Ist rotes Fleisch Nährboden für Herzinfarkt und Darmkrebs? 

19. Mai 2023

von Dr. Jens Freese

Obwohl des Deutschen liebstes Stück, eilt rotem Fleisch ein schlechter Ruf voraus. Schuld ist die These, das ein hoher Fleischkonsum nicht nur mit einem höheren Herz- und Gefäßerkrankungsrisiko in Zusammenhang steht, sondern auch für verschiedene Krebserkrankungen inbesondere Darmkrebs (mit-)verantwortlich zeichnen soll. Dieses Vorurteil ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn zahlreiche Untersuchungen konnten tatsächlich eine höhere Sterblichkeitsrate unter Fleischliebhabern feststellen. Metanalysen zufolge ist das Risiko, an einem kolorektalem Karazinom zu erkranken, bei Fleischessern um 10-28% erhöht. Doch wie wird eigentlich rotes Fleisch definiert?

Fleisch ist mein Gemüse – oder warum Burgerjunkies Gemüseverweigerer sind

An diesem Punkt scheiden sich die wissenschaftlichen Geister, denn die Studiendesigns geben bislang kein einheitliches Bild ab. Normalerweise versteht man unter rotem Fleisch Fleischsorten, die in ungekochtem Zustand eine Rotfärbung aufweisen, das durch den hohen Gehalt an eisenhaltigem Häm auftritt. Was dem kritischen Lesen jedoch mehr als stutzig werden lässt: In vielen Studien zum Thema Fleisch wird einfach alles in einen Topf geworfen – Masttierfleisch, verarbeitete Fleischprodukte wie Wurst oder Salami und artgerecht produziertes Weiderindfleisch. Egal – Fleisch ist Fleisch. Ein Blick auf die zugesetzten Inhaltsstoffe einer Salami-Packung verrät allerdings, dass diese Betrachtung mehr als fahrlässig ist. In der Zutatenliste von REWE´s ja!-Salami findet man beispielsweise 4 verschiedene Zuckersorten, Kochsalz, Ascorbinsäure, Natriumnitrit und Raucharoma. Hinzu kommt, dass Fleischesser einen ingesamt ungesünderer Lebensstil pflegen. So verzehren Fleischjunkies üblicherweise weniger Gemüse, Obst und Nüsse (Ballaststoffe), trinken häufiger Alkohol und greifen öfter zur Zigarette als gesundheitsbewusste Menschen. In der EPIC-Studie (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) war ein höherer Verzehr von Fleich mit einem 28% höheren Risiko für Darmkrebs verbunden. Wurden allerdings Störgrößen wie körperliche Aktivität, Rauchenverhalten, Alkoholkonsum etc. miteingerechnet, war der Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Darmkrebs statistisch nicht mehr vorhanden.

Der Salami-Effekt – oder warum Steak und Aufschnitt nicht das Gleiche sind

Um zu untersuchen, welche Auswirkungen der Konsum von nicht industriell verarbeitetem roten Fleisch auf die Erkrankung von Herz und Gefäßen hat, wertete ein Team der Purdue University in West-Lafayette zahlreiche Studien neu aus. Anhand bestimmter Einschlusskriterien (z.B. Vorliegen eines Risikofaktors, konsumierte Fleischmenge) wählten die Forscher aus 945 identifizierten Studien 24 Arbeiten aus, die die Kriterien erfüllten. Die ausgewählten Studien schlossen Probanden ab 19 Jahren mit jeweils 8 bis 165 Teilnehmern ein (gesunde als auch Patienten mit Risikofaktoren). Der Fleischkonsum der Probanden variierte zwischen einer halben Portion bis zu 7 Portionen pro Tag. Und siehe da: Unter Berücksichtigung des „Salami-Effektes“, also dem Ausschluss hochverarbeiteter Fleischprodukte wie Aufschnitt und Co., fielen die Resultate vollkommen anders aus. Studien, die ausschließlich unverarbeitetes Fleisch von Tieren wie Rind, Schwein, Lamm, Ziege, Elch, Wild etc. als rotes Fleisch deklarierten, ergaben:

  • keinen Zusammenhang zu erhöhtem Gesamt-, LDL- oder HDL-Cholesterin.
  • keinen Zusammenhang zum Verhältnis von HDL- zu LDL-Cholesterin.
  • keinen Zusammenhang zu erhöhten Triglycerid-Werten.
  • keinen Zusammenhang zu erhöhtem diastolischen oder systolischen Blutdruck.

Interessanterweise erhöhen mehr als 3 Portionen an rotem Fleisch pro Tag sogar die (hilfreichen) HDL-Cholesterinwerte. Ist Fleisch also Herzgesund? Nun – zumindest ist rotes Fleisch in Bezug auf Herz- und Gefäßerkrankungen sowie auf die Sterblichkeitsrate kein Risikofaktor. Diese Studie rückt das Fleischdogma in neues Licht. Nicht Fleisch per se ist das Problem, sondern a) wie es verarbeitet ist und b) welchen Lebensstil man sonst so pflegt. Ein saftiges Rindersteak führt also nicht gleich zum Herzstillstand, vor allem wenn man ausreichend Ballaststoffe isst. Aber: Fleisch ist eben nicht gleich Fleisch. Wie bei jedem anderen Lebensmittel ist auch bei Fleisch die Qualität der entscheidende Faktor. Denn Fleisch unterscheidet sich abhängig von der Bewegungsfreiheit der Tiere und artgerechter Fütterung in seiner Komposition erheblich. Wer einen Porsche will, muss eben auch bereit sein, einen Porsche-Preis zu zahlen.

 

Quelle:

Quelle: O’Connor, L. E., Kim, J. E., & Campbell, W. W. (2017). Total red meat intake of≥ 0.5 servings/d does not negatively influence cardiovascular disease risk factors: a systemically searched meta-analysis of randomized controlled trials. The American Journal of Clinical Nutrition, 105(1), 57-69.

Dr. Jens Freese

Über den Autor

Dozent | Wissenschaftler | Berater

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