Wundermittel oder Droge? Diese Frage stellt sich nicht erst seit der Studentenrevolte 1968, als junge Revoluzzer neben politischen Änderungen auch die Legalisierung von Cannabis erzwingen wollten. Denn die Geschichte der Hanfpflanze ist Jahrtausende alt und alles andere als in der Pfeife zu rauchen. Aus den Fasern der Hanfpflanze stellten unsere Vorfahren Seile, Papier und Kleidung her. Die Samen dienen seit jeher als Nahrungsquelle und auch ihr Nutzen in der Medizin ist nicht erst seit gestern bekannt.
Verbot und Legalisierung: Hanf ist nicht gleich Hanf
Als Reaktion auf die erwähnten Proteste der Alt-68er überarbeitete die damalige Regierung das bestehende Opiumgesetz und verbot nicht nur Cannabis vollständig, sondern auch die grundsätzliche Verwendung von Hanf, der ältesten Kulturpflanze des Menschen. 1982 trieb man das Ganze auf die Spitze, indem ein neues Betäubungsmittelgesetz auch noch den Anbau von Hanf unter Strafe stellte. In den 90er Jahren wurden Faserhanfpflanzen dann wieder zum Anbau zugelassen und seit 1996 darf Hanf in Deutschland auch wieder legal angebaut werden. Hanffasern werden heute hauptsächlich für Spezialzellstoffe, Verbundwerkstoffe und Dämmstoffe genutzt. Seit einiger Zeit stehen allerdings auch Produkte aus den Samen der Hanfpflanze wieder in den Regalen der Ökoläden und Internetshops.
Als Schmerzmittel seit langem bekannt
Wozu dann also die ganze Aufregung der letzten Jahrzehnte? Nun, wie Kiffer wissen, lässt sich aus den Blüten der weiblichen Pflanze das sogenannte Tetrahydrocannabinol (THC) isolieren, das für seine halluzinierende Wirkung weltweit bekannt ist. Seit 1929 ist der berauschende Teil der Hanfpflanze in Deutschland verboten. Die Abgabe durch Apotheken ist jedoch bei Vorlage eines ärztlichen Rezeptes bis heute möglich. Ärzte verschreiben THC gerne als Schmerzmedikament bei lethalen Erkrankungen, wenn alle anderen Präparate nicht mehr greifen. Durch den Vegan-Trend ist Hanf als vegetarische Proteinquelle auch wieder in der Vordergrund gerückt. Ist Hanfprotein demnach nicht nur für Vegetarier interessant, sondern auch für Sportler und Athleten, die auf vegane Art und Weise ihre Muskelmasse aufbauen oder regenerieren wollen?
Hanfprotein – eine echte Alternative zu Whey und Co?
Im Internet wird Hanfprotein immer stärker als „Nährstoffwunder“ oder „König der pflanzlichen Proteine“ beworben. Eigentlich ist, wie bei der Käseherstellung die Molke, Hanfprotein ein Neben- bzw. Abfallprodukt bei der Herstellung von Hanföl, mit dem man lange Zeit nicht viel anzufangen wusste. Die Hanfsamen werden ausgepresst, übrig bleibt das so genannte Hanfsamenmehl. In Relation zum unverarbeiteten Samen weist Hanfsamenmehl einen hohen Gehalt an Protein auf. Was liegt da näher, als daraus ein pflanzliches Eiweiß-Supplement herzustellen, das jedoch kein reines Eiweißpräparat ist. Ein Anteil von 10% ist nämlich Fett und der zeichnet sich positiverweise durch ein ausgeglichenes Verhältnis von Omega 3- zu Omega 6-Fettsäuren aus. Auch der Anteil an Ballaststoffen ist im Vergleich zu anderen Supplementen überdurchschnittlich hoch (examine.com), was es insbesondere für die Darmgesundheit interessant macht. Allerdings enthält 100g Hanfprotein nur ungefähr 50g Eiweiß. Das erscheint auf den ersten Blick relativ gering, denn ein klassisches Whey-Protein hat bis zu 80g Eiweiß, ein Whey-Isolat sogar zwischen 90-95g. Warum sollen Sportler und Athleten dann zu Hanfprotein greifen?
PDCAAS-Score zeigt hohe Bioverfügbarkeit
Nun, einige Personen sind aufgrund von Unverträglichkeiten dazu gezwungen, auf laktosehaltige Produkte zu verzichten. Klassisches Whey-Protein ist nicht laktosefrei. Whey-Protein-Isolat enthält durch stärkere Filtrierung zwar weniger Laktose, ist aber dennoch nicht laktosefrei. Für 80% der laktoseintoleranten Weltbevölkerung könnte Hanf also eine interessante Milchalternative sein. Aber auch aus ethischen Gründen vermeiden viele Menschen tierische Produkte aus Massentierhaltung.
Wer sich also nach dem Training nicht nur auf Proteine aus den Mahlzeiten stützen möchte, dem stellt sich unweigerlich die Frage: Was ist eine empfehlenswerte Alternative zum klassische Molke-Protein? House, Neufeldt & Leson (2010) nahmen Hanfprotein schon vor einigen Jahren genauer unter die Lupe und beurteilten Cannabis sativa (wie die Hanfpflanze im Fachjargon heißt) nach dem sogenannten PDCAAS. Dieser Score untersucht die Verdaulichkeit und Verwertbarkeit der im Protein enthaltenen einzelnen Aminosäuren. Dabei wird der Aminosäurengehalt des untersuchten Proteins mit dem Gehalt eines festgelegten optimalen Proteins (Vollei) als Referenzwert verglichen. In diese Berechnung fließt zudem noch die Verdaulichkeitsrate des jeweiligen Lebensmittels ein, woraus sich folgende Formel ergibt:
Ein Ergebnis von 100 (bzw. 1,00) bedeutet, dass alle essentiellen Aminosäuren in ausreichender Menge vorhanden sind. Sollte dies für einzelne Aminosäuren nicht der Fall sein, gelten diese als limitierende Aminosäuren und reduzieren den Score des entsprechenden Nahrungsmittels. House et al. (2010) ermittelten für Hanfprotein ein PDCAAS von 50-60, je nach Verarbeitung des Hanfproteins. Wird es aus geschälten Samen gewonnen, steigt der Score deutlich an. Die limitierenden Aminosäuren sind Lysin und Leucin. Leucin, die anabolste aller Aminosäuren, ist elementar für die Muskelproteinsynthese (Philipps, 2011). Die Tatsache, dass pflanzliches Eiweiß eine geringere Verdaulichtkeit aufweist als tierisches, trägt ebenfalls zu einem niedrigeren PDCAAS bei. Nachfolgende Tabelle zeigt verschiedene Proteinquellen im Vergleich:
Wie sich aus der Tabelle ableiten lässt, ist ein PDCAAS von 60 nicht gerade optimal im Vergleich zu den klassischen Eiweiß-Supplementen. Die Ergebnisse dieser Studie sollten allerdings nicht als in Stein gemeisselt betrachtet werden. Denn andere Untersuchungen, wie z.B. die von Malomo & Aluko (2014), ergaben wesentlich höhere Eiweißanteile (84%) bei Hanfprotein. Der Gehalt an Leucin pro 100g Eiweiß war hier sogar mehr als doppelt so hoch wie von House et al. (69mg/g vs. 23mg/g) analysiert. In der Malomo-Studie wurde auch der anvisierte Richtwert der WHO von 61mg/g übertroffen.
Hanf als Alternative für Milchallergiker
Fazit: Hanf scheint eine echte Alternative für Milchallergiker und Veganer zu sein. Die aktuelle Studienlage ruft jedoch förmlich nach weiteren Untersuchungen. Was alle Studien unter dem Strich betonen: Die positiven Eigenschaften von Hanfprotein gehen weit über das Aminosäurenspektrum hinaus. Der hohe Anteil an essentiellen Fettsäuren sowie der hohe Faseranteil sind Pluspunkte, die andere Eiweißpräparate nicht liefern können. Es wird daher wohl nicht mehr lange dauern, bis Proteinshakes auf Hanfbasis die Fitnesstheken der Republik erobern.
Quellen:
- https://examine.com/supplements/hemp-protein/
- http://edoc.sub.uni-hamburg.de/haw/volltexte/2014/2487/pdf/BA_Joern_Utermann.pdf
- Consultation, R. F. E. (2011). Dietary protein quality evaluation in human nutrition. FAO food and nutrition paper, 92.
- House, J. D., Neufeld, J., & Leson, G. (2010). Evaluating the quality of protein from hemp seed (Cannabis sativa L.) products through the use of the protein digestibility-corrected amino acid score method. Journal of agricultural and food chemistry, 58(22), 11801-11807.
- Phillips, S. M. (2011). The science of muscle hypertrophy: making dietary protein count. Proceedings of the Nutrition Society, 70(1), 100-103.
- Malomo, S.A., He, R. & Aluko, R.E. (2014). Structural and Functional Properties of Hemp Seed Protein Products. Journal of Food Science, 79(8), 1512-1521.
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